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Transparenz:
Dear All kommt dem Angebot des Kulturreferats der Landeshauptstadt München nach und veröffentlicht den Schriftverkehr zum Offenen Brief vom 21. Januar 2020:
Donnerstag, den 23. Januar 2020 / Kulturreferat der Landeshauptstadt München an Dear All
Leider haben Sie uns nicht mitgeteilt, wer sich hinter Ihrem Kollektiv verbirgt. Daher versuche ich es jetzt einfach per Mail mit unserem Gesprächsangebot. Wir möchten Sie gerne zu uns einladen und bitten um Nachricht und einen telefonischen Kontakt, damit wir einen Termin vereinbaren können.
Beste Grüße,
Kulturreferat der Landeshauptstadt München
Büro der Referatsleitung / Stellvertretende Leitung
Montag, den 27. Januar 2020 / Dear All an das Kulturreferat der Landeshauptstadt München
Wie andere Kollektive haben wir uns entschieden anonym zu bleiben. Dieser Auszug von SdJ-collective (Soup du Jour) gilt auch für uns:
„Wir möchten, dass sich die Menschen auf das konzentrieren, was wir zu sagen haben, und nicht auf bestimmte Personen unter uns. Wenn wir nicht auf unserer Kollektivität bestehen würden, würde der Fokus auf nur wenige fallen, wodurch die Arbeit des größeren Kollektivs unsichtbar würde. Wir wollen die Hierarchien der Sichtbarkeit, die wir eigentlich kritisieren wollen, nicht reproduzieren. Außerdem schätzen wir die Vielfalt der Stimmen, die innerhalb unserer Struktur existieren. Wir sind ein gemischtes und vielfältiges Kollektiv.“
Daher sind wir nicht an einem Gespräch oder Treffen interessiert. Wir brauchen keine weiteren einfühlsamen Gespräche, klugen Worte und Versprechungen, Zusicherungen den strukturellen Rassismus im Münchner Kulturbetrieb abzubauen. Dies geschah schon so häufig und doch organisiert das Kulturreferat ein Symposium, dass diesen strukturellen Rassismus wiederholt. Wir wollen jetzt endlich sehen, dass die Versprechungen konkret eingelöst werden.
Grüße,
Dear All
Dienstag, den 29. Januar 2020 / Kulturreferat der Landeshauptstadt München an Dear All
Ihre letzte Rückmeldung können wir so lediglich zur Kenntnis nehmen. Es bleibt für uns danach die Frage, ob Ihr offenes Kollektiv tatsächlich allen offen steht. Auch sind wir überzeugt davon, dass jeder konstruktive Dialog und jede Veränderung nur in Austausch und Kommunikation möglich sind.
Den Vorwurf des Rassismus, den Sie mit sehr unspezifischen Anwürfen verbinden, weisen wir zurück.
Da Sie mit Ihrem Blog "Offener Brief" zur öffentlichen Diskussion einladen, bitten wir darum, unser Gesprächsangebot und Ihre Ablehnung sowie auch gerne den Wortlaut dieser Mail dort zu posten. Unseres Erachtens sollten Form und Inhalt der Auseinandersetzung gleichermaßen sichtbar gemacht werden.
Beste Grüße,
Kulturreferat der Landeshauptstadt München
Büro der Referatsleitung / Stellvertretende Leitung
Donnerstag, den 30. Januar 2020 / Dear All an das Kulturreferat der Landeshauptstadt München
In unserem Offenen Brief haben wir niemanden persönlich angegriffen und auch niemandem als Rassist*in bezeichnet. Es ging und geht uns um Funktionsweisen von Kultureinrichtungen, die Kraft ihrer institutionellen Logik ganze Bevölkerungsgruppen aus der Teilhabe am Diskurs ausschließen. Wir mussten Ihnen daher noch einmal vorrechnen, dass die 43,2 Prozent der in München lebenden Menschen mit (post-)migrantischen Biografien in dem von uns kritisierten Symposium symbolisch nicht repräsentiert sind – und dass die Kuration dieser Veranstaltung in direktem Widerspruch zu den Leitlinien des Kulturreferats selber steht. Aus denen haben wir – der Einfachheit halber und zum Nachlesen – ausführlich zitiert.
Finden Sie nicht, dass dies sehr genau gezielte „Anwürfe“ sind?
Wie im Falle des von uns angesprochenen Symposium ist es kennzeichnend für institutionellen Rassismus, dass den Entscheidungsträger*innen die Strukturen, innerhalb derer sie handeln und die sie innerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit reproduzieren, nur selten bewusst sind. Ihre Antwort, in der Sie uns einen Mangel an „Offenheit" vorwerfen, damit nicht – ganz „spezifisch“ anhand des zur Diskussion stehenden Symposium – über die Kulturpolitik der von Ihnen vertretenen Behörde gesprochen werden muss, ist dafür ein gutes Beispiel.
Wir wollen eine öffentliche Debatte über den strukturellen Rassismus. Das ist etwas anderes als ein Dialog zwischen dem Kulturreferat und dem Kollektiv „Dear All“. In unserem Brief haben wir aus gutem Grund hervorgehoben, dass es bereits viele Gespräche solcher Art gegeben hat. Wir haben immer darauf gewartet, dass die darin abgegebenen Versprechungen auch umgesetzt werden. Die grundlegende Arbeit an Strukturen und Systemen darf sich nicht mit einem weiteren Angebot zu einen konstruktiven Austausch erschöpfen.
In unseren jeweils unterschiedlichen Kämpfen haben wir stets die gleiche Erfahrung gemacht. Wann immer wir versuchten, die Auseinandersetzung auf den gesellschaftlich verankerten strukturellen Rassismus zu lenken, wurde – als Reaktion darauf – die Aufmerksamkeit auf die Benennungsproblematik gerichtet. Wer Rassismus offen adressiert, muss sich erst einmal gefallen lassen, nach der Legitimität dieses Sprechaktes befragt zu werden. Das Aussprechen und Anzeigen von Rassismus wurden problematisiert. Die Praktiken rassistischer Diskriminierung selber blieben immer wieder ausgespart.
Das Gleiche tun Sie, wenn Sie uns ständig auffordern, unsere Anonymität aufzugeben – sonst können Sie unsere Anliegen „lediglich zur Kenntnis nehmen“. Als Sprecherin des Kulturreferats wiederholen Sie so rhetorische Dynamiken, die bereits ein wichtiger Aspekt des strukturellen Rassismus sind.
Wir werden uns weiterhin weigern, Ihnen unsere Namen und Anschriften mitzuteilen. Die Diskussion darüber, wer an unserem Kollektiv momentan beteiligt ist, soll nicht von der Sache ablenken, um die es inhaltlich geht
Wir haben unsere Anliegen klar und deutlich ausgedrückt. Aber wir sind keine Kulturpolitiker*innen. Das ist der Job der von Ihnen vertretenen Behörde. Es liegt an Ihnen und Ihren Kolleg*innen, aus unserer Kritik Ihre Schlüsse zu ziehen und darauf Handlungen abzuleiten. Diese Arbeit können und wollen wir Ihnen nicht abnehmen. Wenn Sie die Besetzung des Symposiums und die Thematik der Panels noch kurzfristig ändern möchten, dann wissen Sie und Ihre Kolleg*innen, wer mögliche Ansprechpartner*innen in der Stadt sind.
Grundsätzlich steht unser Kollektiv für den Austausch mit allen offen, die den strukturellen Rassismus erfahren haben und ihn beseitigen wollen, so wie allen Verbündeten. Und ja, wir können den Verlauf dieser Korrespondenz auf unserer Website veröffentlichen. Tun Sie uns im Gegenzug den Gefallen, unseren offenen Brief prominent auf der Frontseite der Homepage der Stadt (https://www.muenchen.de/) zu publizieren?
Beste Grüße,
Dear All
–en–
–en–
Thursday, 30 January 2020 / Dear All to the Cultural Department of the City of Munich
In our open
letter, we did not accost anyone personally, nor did we call anyone a racist.
What we were and are concerned with is the functioning of cultural institutions
that by virtue of their institutional logic exclude entire groups of the
population from participating in the discourse. We therefore had to again point
out to you that the 43.2% of the people living in Munich with a (post-)migrant background
are not symbolically represented in the symposium we have criticized – and that
the curator of this event directly contradicts the guidelines of the Department
of Arts and Culture itself, from which we extensively cited –
for the sake of convenience and to reread.
Don’t you find
that these are accurately targeted “accusations”?
Like with the symposium we addressed, it is characteristic of institutional racism that the decision-makers are rarely aware of the structures in which they act and reproduce their professional activities. A case in point is your reply: accusing us of a lack of “openness” so that one needn’t speak – based very “specifically” on the symposium at question – about the cultural policy of the department you represent.
Like with the symposium we addressed, it is characteristic of institutional racism that the decision-makers are rarely aware of the structures in which they act and reproduce their professional activities. A case in point is your reply: accusing us of a lack of “openness” so that one needn’t speak – based very “specifically” on the symposium at question – about the cultural policy of the department you represent.
We would like a
public debate on structural racism. That is something different than a dialog
between the Department of Arts and Culture and the “Dear All” collective. In
our letter, we emphasized with good reason that there have already been many
such discussions. We have always waited for the promises made in them to be
fulfilled. The fundamental work on structures and systems cannot exhaust itself
in a further offer of a constructive exchange.
In each of our
highly different struggles, we have always made the same experience. Whenever
we attempt to direct the debate toward socially rooted, structural racism,
attention is drawn – in response – to the problematic of naming. Anyone openly
addressing racism must first put up with being asked about the legitimacy of
this speech act. Voicing and pointing out racism are problematized, while the
practices of racist discrimination themselves are omitted time and time again.
That is exactly
what you are doing, when you constantly ask us to give up our anonymity –
otherwise, you could “only take note of” our concern. As the speaker of the
Department of Arts and Culture, you thus repeat a rhetorical dynamic that is
already a significant aspect of structural racism.
We will
continue to refuse giving you our names and addresses. The discussion on who is
currently involved in our collective should not distract from the subject
matter at issue here.
We have expressed our concerns in no uncertain terms. But we are not cultural politicians. That is the job of the department you represent. It is up to you and your colleagues to draw conclusions and derive actions from our critique. We can’t and don’t want to take that off your hands. If you would like to alter the composition of the participants in the symposium and the topics of the panels at short notice, you and your colleagues know who the possible contact persons in the city are.
We have expressed our concerns in no uncertain terms. But we are not cultural politicians. That is the job of the department you represent. It is up to you and your colleagues to draw conclusions and derive actions from our critique. We can’t and don’t want to take that off your hands. If you would like to alter the composition of the participants in the symposium and the topics of the panels at short notice, you and your colleagues know who the possible contact persons in the city are.
Our collective
is principally open to an exchange with everyone who has experienced and seeks
to overcome structural racism as well as with all allies. And yes, we can
publish this correspondence on our website. Would you do us the favor in return
and prominently publish our open letter on the front page of the city’s
homepage (https://www.muenchen.de/)?
Best regards,
Dear All